Marlis Jonas hat die Schönheit der Überbleibsel aus den 50ern festgehalten: geschwungene oder runde Gebäude mit bunten Wandmosaiken, grüne
Hochstraßensegmente, die niemals fertig gebaut wurden, oder ein Friseursalon mit rotem Drehstuhl vor blassrosa Waschbecken.
“Mit welcher Mühe und Fantasie das gestaltet ist", schwärmt die Fotografin, die sich in ihre Kindheit zurückversetzt fühlt. “In der Zeit
bin ich groß geworden, ähnliche Motive kenne ich noch aus meiner Jugend", erinnert sich Marlis Jonas, die 1948 in Dortmund geboren wurde. “Ich finde die damalige Architektur faszinierend. Sie hat eine
klare Gliederung und weiche Schwünge."
Obwohl die Motive überall in der Stadt zu finden sind, sind die Fotos von Marlis Jonas, die ab kommender Woche in der Stadtbibliothek zu sehen sind, alles
andere als gewöhnlich. “Es kommt auf den besonderen Blickwinkel an. Die Bilder müssen eine Spannung haben." 27 Jahre lang hat sie in der Pfalz als Kunsterzieherin gearbeitet, in ihren Fotos zeigt sie, wie
man mit unterschiedlichen Perspektiven und dem Wechsel zwischen Weitwinkel- und Detailaufnahme Spannung erzeugt.
“Ich bin ein visueller Mensch", sagt sie. Als Kind habe sie nur Bücher ausgeliehen, die viele Bilder besaßen. Mit 16 hat sie ihr erstes Foto
gemacht und von ihrem ersten Lehrergehalt kaufte sie sich eine Spiegelreflexkamera. “Da hatte man noch richtig Metall in der Hand." Gelegentlich greife sie auch heute noch auf ihre alte Kamera zurück.
Marlis Jonas legt Wert darauf, dass alle ihre Motive authentisch sind. Die Fassaden, Inneneinrichtungen oder Gegenstände erinnern daher oft an
Museumsstücke, die irgendwo in der Stadt ausgestellt scheinen. Aber auch ihre Aufnahmen müssen authentisch sein. Obwohl sie ausschließlich mit Digitalfotografie arbeitet, werden die Bilder nicht am Computer
nachbearbeitet: “Wenn sie mir nicht gefallen, mache ich neue Aufnahmen." Die Technik sei ihr nicht so wichtig, es komme auf den richtigen Blick an.
Ihren Fotoapparat hat sie immer dabei, wenn sie unterwegs ist. Auf bestimmte Motive ist sie nicht festgelegt. Sie fotografiert Menschen oder Landschaften
genauso wie Stadtansichten. Beim Einkaufen auf dem Markt, im Urlaub oder einfach beim Spazierengehen, immer überlege sie, welche Perspektive wohl interessant wäre. “Oft lohnt sich auch ein Blick in die
Hinterhöfe", berichtet Marlis Jonas. Zum Beispiel beim Corso-Filmtheater in der Kaiser-Wilhelm-Straße. Hier entdeckte sie mehr zufällig eine liebevoll gestaltete Fassade aus den 50ern. Da musste sie ganz
einfach auf den Auslöser drücken.
Auch woanders hat sie Relikte aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts entdeckt: “Das Hallenbad Nord ist eine wahre Fundgrube." Es geht Jonas aber
nicht nur um Architektur. Mit ihrer Kamera hat sie Stimmungen aus längst vergangenen Tagen eingefangen. “Die Leute wollten nach dem Krieg was heimeliges haben, es sollte gemütlich und persönlich sein",
ein Stil, der auch bei Marlis Jonas Erinnerungen weckt.
Info: Die Ausstellung “Eine Stadt baut auf. Architektur der 50er Jahre in Ludwigshafen" in der Stadtbibliothek wird am Montag, 31. März, 19 Uhr,
eröffnet.
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