Flanieren in Ludwigshafen? Für Heidelberger erstmal eine abwegige Idee. Wer am Ludwigshafener Hauptbahnhof aus der S-Bahn steigt, der fühlt sich häufig
beleidigt. Die Nase vermisst frische Luft, das Auge etwas Grün. Wer aber den gerade erschienenen schmalen Band über Kunst im öffentlichen Raum durchblättert, der findet darin 17 gute Gründe, mal durch Ludwigshafen
zu schlendern und Kunst zum Nulltarif anzuschauen.
S-Bahn-Nutzern sei empfohlen, schon in Ludwigshafen Mitte auszusteigen. Dort lässt man das Einkaufszentrum Walzmühle links liegen und steuert
direkt den Berliner Platz an, wo eine sieben Meter hohe kinetische Skulptur durch Luftbewegung rotiert. "Conversation II" nannte sie der amerikanische Künstler George Rickey, weil zwei riesige L-Formen aus
Edelstahl miteinander kommunizieren. Weiter geht es geradeaus in die Bismarckstraße, wo im Heinz-Beck-Hof vor dem Kunstverein drei Skulpturen zu sehen sind, darunter die Raumsäule von Erich Hauser.
Statt die Fußgängerzone mit ihren Ein-Euro-Shops bis zum Rathauscenter entlang zu laufen, sollte man rechtzeitig nach rechts zum Ludwigplatz
abbiegen. Hier fällt zwischen den Platanen die 22 Meter hohe Lichtsäule von Jan van Munster ins Auge. Ihre Fortsetzung findet sie in der 38 Meter langen "Brainwave" in der Glashalle der Sparkasse.
Ebenfalls auf dem Ludwigplatz erfreuen vier klassische Bronze-Skulpturen den Flaneur, darunter der "Fliegende Genius" des großen Bildhauers Georg Kolbe.
Wer jetzt Hunger hat, kann sich im Pavillon des Cafe Laul oder bei gutem Wetter auch davor mit italienischer Küche stärken, bevor der Weg zum
Hack-Museum führt, dem Höhepunkt des Spaziergangs. Berühmt ist diefarbenfrohe Keramik-Fassade von Joan Miro, mit einer Länge von 55 Metern und einer Höhe von knapp zehn Metern eines der größten Werke des spanischen
Künstlers. Auf 7200 Steinzeugfliesen entfaltet sich ein fröhliches Panorama von Fantasiegestalten – ein bemerkenswerter Farbtusch in einer eher unwirtlichen Stadt, die mit den Hochstraßen- und Betonklotzsünden
vergangener Zeiten zu kämpfen hat.
Davor verweisen "Zwei unbestimmte Linien" von Bernar Venet auf den Schwerpunkt des Museums, die konkrete Kunst. Zwei monumentale
Stahlbänder winden sich in zwei offenen Spiralen. Ins Unendliche weist auch die "Endlose Treppe" von MaxBill auf dem Platz an der gegenüberliegenden Seite des Hack-Museums. Graue Granitstufen recken sich
in den Himmel – ein Monument für den Philosophen Ernst Bloch, der 1885 in der Stadt am Rhein geboren wurde.
Die Ludwigshafener Fotografin Marlis Jonas hat die 17 Kunstwerke im öffentlichen Raum aufgenommen und für jedes den richtigen Blickwinkel und die
passende Jahreszeit gefunden. So erhebt sich Bills graue Treppe vor strahlend-blauem Himmel, während Giacomo Manzus versonnene Bronze-Eisläuferin auf dem Ludwigplatz von herab gefallenen Blättern umgeben ist. Der
frühere Leiter des Hack-Museums, Richard Gassen, hat die Bilder mit kurzen Texten versehen. Ein kleiner Stadtplan mit Hinweisen zu den Standorten hilft Ortsfremden bei der Orientierung.
Info: "KunstRaum Stadt, Öffentliche Kunst in Ludwigshafen", erschienen im Kehrer Verlag Heidelberg, ist für 5 Euro im Hack-Museum und in
Ludwigshafener Buchhandlungen erhältlich.
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